Alliiertenzeit

Nutzungswandel

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs erreichte die Rote Armee das Tempelhofer Flugfeld. Vom 28./29. April bis zum 4. Juli 1945 besetzte das sowjetische Militär das Gelände. Am 4. Juli ging die Kontrolle an das U.S.-amerikanische Militär über und blieb in amerikanischen Händen bis 1994, als die Amerikaner:innen das Flugfeld verließen.

Etliche der Baracken, besonders im Bereich des Richthofenlagers am Columbiadamm, waren bereits bei den Bombardierungen durch alliierte Streitkräfte 1944 beschädigt und in Folge abgetragen worden. Direkt nach dem Krieg fanden auf Auftrag der US Army weitreichende Abriss- und Umbauarbeiten am Flughafengebäude, besonders jedoch auf dem Flughafengelände statt. Auftragsschreiben der US Army aus dem Jahr 1946 dokumentieren diese Arbeiten. Die Splitterschutzgräben an den ehemaligen Zwangsarbeitslager wurden verfüllt, auf dem Flugfeld fanden großflächige Bodenarbeiten statt, und ein Großteil der Fläche wurde planiert. Bis auf eine ehemalige Verwaltungsbaracke am Tempelhofer Damm ist auf einem Luftbild von 1953 keine einzige der Baracken der drei Zwangsarbeitslager mehr zu erkennen.

Tempelhof - Alliierten ‚trash points‘

Im Zuge des Aufräumens und der Instandsetzung des Flughafengeländes nach der amerikanischen Übernahme errichtete das U.S.-Militär mehrere ‚trash points’ auf dem Feld. Die Aufräumarbeiten dauerten bis ins Jahr 1946. Auf einem Bild aus dem Jahr 1949 sind immer noch gestapelte Metallreste in der Südwestecke des Flugfelds zu sehen. Die ‚trash points’ wurden sowohl für Altmüll aus der Nazi-Zeit als auch für den von den Amerikaner:innen produzierten Abfall benutzt.

Im Rahmen der Grabungen wurden Teile von zwei möglichen ‚trash points’ untersucht. Der eine Befund bestand aus einem mit Müll verfüllten Feuerlöschteich nördlich des Alten Flughafens aus den 1920er Jahren. Der umfunktionierte Feuerlöschteich hatte eine Fläche von 15 X 25 m an der Oberkante, hatte steil angeschrägte Betonwände und war geschätzt 4 m tief. Nach einem Luftfoto fing die Verfüllung des Betonbeckens spätestens 1946 an, als auch der Alte Flughafen abgerissen wurde. Während der archäologischen Untersuchung wurden aus Sicherheitsgründen nur die obersten 1,5 m an zwei Stellen ausgehoben. Das extrem dicht gepackte Fundmaterial stammte aus den Endjahren der Nazi-Zeit und der anfänglichen U.S.-Besatzung. Es enthielt Kosmetikzubehör wie Rasierwasser und Haartonikum, prophylaktische Salbe gegen Geschlechtskrankheiten, Batterien, Glühbirnen, Getränke-Flaschen, Geschirr, Blechdosen, Bruchstücke von Schallplatten, Film-Material, ein Auto-Nummernschild, mehrere „Dog Tags“ und vieles mehr.

Auch in einer deutlich kleineren Grube, die unweit des Feuerlöschteichs und einer Küchenbaracke lag, kamen Mengen an Abfall zu Tage. Die Grube maß 2,5 X 2,85 m und war knapp 1 m tief. Eine untere Schicht enthielt Material aus der NS-Zeit und war von einer oberen Schicht durch ein Band von gelblich-bräunlicher Ablagerung getrennt. Im oberen Teil der Grube war Abfall, der der U.S.-amerikanischen Nutzung des Feldes zugeordnet werden kann. Porzellan, Glasflaschen, Eisenobjekte sowie viele Tierknochen machen einen großen Teil dieses Abfalls aus.

Im Verhältnis zur vorhergehenden Nazi-Zeit fällt die riesige Menge an Fundgegenständen auf, besonders aber deren Vollständigkeit. Waren vollständige Objekte in Fundstellen aus der Zeit vor 1945 selten, so ändert sich dies schlagartig mit der U.S.-Besatzung. Ganze Tintenfässer mit einem Teil ihres Inhalts, Flaschen, Feuerzeuge und ähnliches sind Vorboten einer sich rasch ausbreitenden Wegwerfkultur der Nachkriegszeit.

Vom NS-Feuerlöschteich zum US-Schwimmbecken

Während der Nutzung des Tempelhofer Flughafens für die NS-Rüstungsindustrie waren mehrere mit Beton ausgekleidete Feuerlöschteiche angelegt worden. Sie sollten im Falle eines Brandes der Holzbaracken, besonders jedoch der Fertigungsanlagen, einen schnellen Zugang zu Löschwasser ermöglichen. Die in Tempelhof stationierten US-Truppen nutzten nur wenige dieser Feuerlöschteiche weiterhin. Einen Löschteich südlich des NS-zeitlichen Lufthansalagers am Alten Flughafen verfüllten sie offenbar bald nach Kriegsende mit Schrott und Müll. Einen anderen Löschteich am südlichen Tempelhofer Damm, im Bereich des ehemaligen Lagers Berliner Straße, nutzten sie als Schwimmbad, wie Fotografien und Akten bezeugen.

Funde Alliiertenzeit

Nicht nur Funde mit im weitesten Sinne militärischem Charakter, sondern auch viele Güter des täglichen Bedarfs und persönlicher Annehmlichkeiten waren aus den USA importiert worden.

Ausrüstung und Verwaltung

Funde aus dem Bereich Ausrüstung und Verwaltung konnten aus den trash points geborgen werden: Feld- und Kantinenengeschirr, Elektrozubehör, Uniformbestandteile und Büromaterial sind dieser Gruppe zuzuordnen.

1/11
Feldgeschirr mit zwei Vertiefungen, der Stiel ist nicht erhalten (Material: Metall; Maße: 20,0 cm x 16,1 cm x 2,0 cm; Gewicht: 185 g).
2/11
Fragment einer Kantinenschüssel mit Stempel der Serie "UNITED STATES ARMY MEDICAL DEPARTMENT“ (Material: Porzellan; Maße: 11,0 cm x 6,6 cm x 0,4 cm; Gewicht: 51 g).
3/11
Kopfhörerstecker der US Air Force mit Beschriftung "JK-26" (Material: Kunststoff/Metall; Maße: 12,0 cm x 1,2 cm x 1,2 cm; Gewicht: 37 g).
4/11
Kugelschreiber mit Aufschrift "SKILCRAFT - U.S. GOVERNMENT" (Material: Kunststoff/Metall; Länge: 12,5 cm; Gewicht: 7 g).
5/11
Protek Plug (Entfeuchter für Motoren) mit Aufschrift "CHANDLER-EVANS CORP. SO MERIDEN CONN. U.S.A. AN-4062" (Material: Kunststoff; Länge: 7,3 cm; Gewicht: 18 g).
6/11
Großes Hinweisschild mit Beschriftung "ONLY ONE PERSON ALLOWED ON THE SLIDE AT A TIME, NO SLIDING BACKWARDS FROM BOARD" (Material: Metall; Maße: 75,0 cm x 50,0 cm x 0,3 cm; Gewicht: 1550 g).
7/11
Durchlochtes Fragment eines Schlüssels mit Aufschrift "FRAIM" (Material: Metall; Maße: 3,0 cm x 2,4 cm x 0,2 cm; Gewicht: 5 g).
8/11
Helm eines US Soldaten (Material: Metall; Maße: 30,0 cm x 24,0 cm x 18,2 cm; Gewicht: 918 g).
9/11
Stempelplatte mit Beschriftung "12th TROOP CARRIER SQUADRON // TEMPELHOF AIR BASE // A.P.O. 742-A% POSTMASTER // NEW YORK, N.Y." (Material: Kunststoff; Maße: 6,0 cm x 2,0 cm x 0,3 cm; Gewicht: 2 g).
10/11
Tintenfass mit schwarzer Tinte und bodenseitiger Prägung "51 INK MADE IN USA" (Material: Glas/Metall; Maße: 9,6 cm x 6,7 cm x 4,8 cm; Gewicht: 160 g).
11/11
Knopf einer Dienstuniform der US Army mit Adlermotiv und Beschriftung "E PLURIBUS UNUM" (Vorderseite) und "WATERBURY BUTTON CO. CONN." (Rückseite) (Material: Messing/ Maße: 2,8 cm x 2,8 cm x 1,0 cm; Gewicht: 7 g).

Medizin, Hygiene und Kosmetik

Während eine gläserne Spritze auf die medizinische Versorgung der U.S.-Soldat:innen verweist und Zahnputzzeug oder Kämme die persönliche Hygiene der hier stationierten Soldat:innen illustrieren, sind sehr viele Funde eher dem Bereich Kosmetik zuzuordnen. Viele verschiedene Haarpflegemittel und unterschiedlichste Rasierwasser zeigen eine über die reine hygienische Notwendigkeit herausreichende Bedeutung dieser Produkte: Ginge es „nur“ um die persönliche Sauberkeit, hätten wohl kaum so viele unterschiedliche Artikel ihren Weg in die US Air Base auf dem Tempelhofer Feld gefunden. Kondome und Tuben mit Salben gegen Geschlechtskrankheiten wurden durch die US Army zur Verfügung gestellt.

1/11
Medizinische Spritze mit roter Aufschrift "U.S.A." (Material: Glas; Maße: 11,0 cm x 1,8 cm; Gewicht: 36 g).
2/11
Fragmentarisch erhaltener Kamm mit Beschrifung "APEX Made in U.S.A." (Material: Kunststoff; Maße: 12,6 cm x 3,0 cm x 0,4 cm; Gewicht: 4 g).
3/11
Beschriftete Zahnpastatube der Produktmarke "Forhan's" (Material: Metall; Maße: 10,0 cm x 3,3 cm); Gewicht: 16 g).
4/11
Zahnbürste des "AMERICAN RED CROSS" (Material: Kunststoff; Maße: 15,7 x 1,5; Gewicht: 11 g).
5/11
5/11
Leere Flasche mit Etikettresten der Haarpflege-Produktmarke "Fitch's" (Material: Glas; Maße: 13,5 cm x 4,9 cm; Gewicht: 143 g).
6/11
Leere Flasche der Haarpflege-Produktmarke "Kreml" (Material: Glas/Metall; Maße: 17,6 cm x 4,9 cm x 4,9 cm; Gewicht: 265 g).
7/11
Flasche der Rasurpflege-Produktmarke "Old Spice" mit Aufschrift und Schiffsmotiv (Material: Glas; Maße: 12,9 cm x 5,5 cm; Gewicht: 178 g).
8/11
Tiegel eines Hautpflege-Produktes mit Aufschrift "Dorothy Grey" (Material: Glas; Maße: 7,0 cm x 6,2 cm; Gewicht: 250 g).
9/11
Beschriftete Tube der Rasurpflege-Produktmarke "Gilette Brushless Shaving Cream" (Material: Metall; Maße: 12,0 cm x 4,8 cm; Gewicht: 37 g).
10/11
Verpackung eines Präservativs mit Beschriftung "SILVERTEX ONE PROPHYLACTIC" (Material: Kunststoff; Maße: 5,6 cm x 2,7 cm x 0,1 cm; Gewicht: 1 g).
11/11
Tube mit Heilmittel zur Prophylaxe gegen Geschlechtskrankheiten; Beschriftung: "PROPHYLACTIC OINTMENT" (Material: Metall; Maße: 6,0 cm x 2,0 cm; Gewicht: 9 g).

Sonstiges: Genuss und Freizeit

Nicht nur die Ausrüstung und Hygiene- und Kosmetikartikel wurden aus den USA importiert. Auch Genussmittel wie Coca Cola und Schokomilch brachten die Transporte aus den USA nach Berlin. Ein Autokennzeichen, das aufgrund seiner Aufschrift und formalen Gliederung zu einem Privatfahrzeug und nicht zu einem Militärfahrzeug gehörte, fand seinen Weg nach Berlin entweder als Erinnerungsstück oder, aufgrund der Datierung in das Jahr 1947 wahrscheinlicher, als Teil eines PKW.

1/4
Fragment einer beschrifteten Getränkedose der Produktmarke "Toddy Malt Chocolat Flavored Milk" (Material: Metall; Maße: 11,2 cm x 9,6 cm; Gewicht: 36 g).
2/4
Beschriftete Getränkeflasche der Produktmarke "Coca Cola" (Material: Glas; Maße_ 19,7 cm x 6,1 cm; Gewicht: 404 g).
3/4
KFZ-Kennzeichen eines Privatfahrzeugs mit Aufschrift "4817 S 1947 OHIO" (Material: Metall; Maße: 30,0 cm x 15,0 cm x 0,4 cm; Gewicht: 236 g).
4/4
Gehäuse einer amerikanischen Militärtaschenlampe mit eingeritzen Buchstaben "FJ" (Material: Kunststoff/Metall; Maße: 16,3 cm x 5,5 cm x 4,9 cm; Gewicht: 80 g).